Bericht im
Bürgerfreund Februar 2002
Rathaus und
Lindenplatz Schömberg
Vor nunmehr mehr als 10 Jahren
wurde das neue Rathaus eingeweiht und der Schömberger
Bevölkerung übergeben. Mancher hat sich sicher erst
langsam an dieses moderne und ungewohnte Gebäude gewöhnen
müssen. Aus der zeitlichen Distanz ist es bestimmt
interessant zu erfahren welche Überlegungen des Architekten,
der natürlich auch die Wünsche des Gemeinderats
berücksichtigen mußte, zum jetzigen Ergebnis geführt
haben. Deshalb soll der Aufsatz in einer Fachzeitschrift aus dem
Jahre 1992 hier im Bürgerfreund zur Kenntnis gebracht
werden.
Erst die Zeit zeigt, ob alles so
funktioniert wie Bauherr und Architekt es sich gedacht haben.
Wenn nicht, muß das eine oder andere den Bedürfnissen
angepasst werden. Dies ist vor einigen Jahren mit dem
"Info-Kebab" geschehen, der von der Bevölkerung
gerne angenommen wird und dem vorhandenen Raum eine gute Funktion
gegeben hat.
Nun soll der erst vor 10 Jahre
mit großem Kostenaufwand gebaute Lindenplatz mit einem
Volumen von ca. 500.000 DM umgestaltet werden. Wenn dieser Platz
den Bedürfnissen vor allem beim "Lindenplatzfest"
nicht mehr genügt so ist das sicher eine Überlegung
wert. Wenn aber der Abriss der Pergola geplant wird, mit dem
Argument daß sie keine Funktion hat, so ist zumindest
dieses Argument sehr in Frage zu stellen. Eine Pergola ist ein
reines garten- und platzgestaltrisches Element. Mit der
ursprünglichen Überdachung wollte der damalige
Gemeinderat der Pergola eine zusätzliche Funktion
(Regenschutz) zuweisen die sie nie erfüllen konnte. (Der
Regen kommt meist von der Seite und nicht nur von oben) Durch
Auflegen von Holzlamellen in Längsrichtung könnte die
Pergola ihre eigentliche Gestalt bekommen und eine stärkere
Raum abschließende Wirkung erhalten.
Mit
ihrer markanten Dachform übernimmt die Pergola die wichtige
Funktion der Abgrenzung des Platzes nach Osten und eine
verbindende Wirkung zum neuen gegenüberliegenden
Volksbankgebäude mit seinem Tonnendach. Das Neue Rathaus mit
dem vorgelegten Sitzungsaal und seiner eigenen Dachform, die
Pergola und die Platzleuchten bilden ein Gesamtensemble das nicht
zerstört werden sollte.
W.
Obert
Rathaus
Schömberg
(1992
Deutsche Bauzeitschrift. 40., 9. S. 1255-1260) Abschrift
Die
fertiggestellte Rathauserweiterung ist Teil einer
Gesamtkonzeption der Neuordnung der Ortsmitte von Schömberg.
Die Gemeinde Schömberg hat im Jahre 1987 einen
Wettbewerb zur Neugestaltung der Ortsmitte ausgeschrieben. Das
Büro Wick + Partner, Stuttgart, wurde mit seiner Arbeit mit
dem 1. Preis ausgezeichnet. Die im Wettbewerb vorgeschlagene
Konzeption sieht eine Verknüpfung innerörtlicher
Grünanlagen und Platzanlagen vor, die stärker als heute
den Charakter des Kurortes bestimmen soll. Der Kurpark wird
großzügig auf einen Rathausplatz geführt. Hier
entsteht eine neue Ortsmitte, die den Einkaufsbereich an der
Lindenstraße mit dem Kurparkbereich verknüpft. Der
Kurpark wird gleichsam an die Ortsdurchfahrt herangeführt.
Die
Gesamtbaumaßnahme setzt sich zusammen aus dem Umbau und der
Renovierung des alten Rathauses für das Bauamt, sowie die
Finanzverwaltung, dem Anbau des neuen Rathauses mit dem Hauptamt,
der Kurverwaltung, den Bürgermeisterräumen sowie den
Sitzungsräumen, aus dem Umbau des Hauses Bühler für
das Notariat, eine Heimatstube sowie die Hausmeisterwohnung, dem
Bau einer Tiefgarage mit 44 öffentlichen Stellplätzen,
dem Bau einer lnformationshalle für ankommende Kurgäste,
verbunden mit einer öffentlichen WC-Anlage.
Darüber hinaus wurde durch die Platzgestaltung
das gesamte Rathausumfeld neu gestaltet.
Der
Rathauserweiterungsbau ist in die städtebauliche
Gesamtkonzeption eingebunden. Er stellt räumlich zusammen
mit dem bestehenden Rathaus und dem Haus Bühler ein neues
Ensemble dar. Diese angestrebte Ensemblewirkung hat starken
Einfluß auf die Organisation des Neubaus gehabt. Durch die
transparente Glashalle wirken die beiden Altbauten in das neue
Gebäude hinein und zusammen mit dem Ratssaal entsteht eine
unverwechselbare Baugruppe.
Es
war für uns Architekten sowie für die Gemeinde eine
große Herausforderung, im ausgehenden 20. Jahrhundert ein
Verwaltungsgebäude für die nächsten 100 Jahre zu
bauen, in einer Umgebung, die durch eine traditionelle Bauweise
geprägt ist. Die Gemeinde Schömberg hat sich dazu
bekannt, ein zeitgemäßes, modernes Gebäude zu
erstellen. Durch die unverwechselbaren Bauformen, die
geschwungenen Dächer, die leichten transparenten Fassaden
soll eine beschwingte freundliche Atmosphäre entstehen, die
für den Charakter des Kurortes Schömberg typisch werden
sollen, und Erholung und Freizeit symbolisieren sollen. Das
moderne Gebäude wird jedoch auch wesentlich durch
traditionelle Materialien, wie Sandsteinmauern und
Holzverkleidungen geprägt. Mit diesen Materialien wird die
Verbindung zu den historischen Gebäuden aufgenommen. Am
Neubau werden jedoch die bekannten Materialien in einer eigenen
Formsprache und in moderner Ausprägung verwendet. Sandstein
und Holz in Verbindung mit Stahl, Aluminium und Glas sind die
Materialien, die es ermöglichen, den die heutige Zeit
verkörpernden Neubau in die historisch gewachsene Umgebung
harmonisch einzufügen. Dies ist das gestalterische
Grundprinzip. Ein Ensemble aus Gebäudeteilen
unterschiedlicher Entstehungszeit, unterschiedlichen Charakters
mit jeweils einer gewissen Eigenständigkeit zueinander zu
stellen und durch die Gemeinsamkeit der Materialien, durch die
Maßstäblichkeit der Einzelgebäude, diese zu einer
spannungsreichen aber harmonischen Gesamtheit zusammenzuführen.
Durch
die transparente Bauweise verbindet sich innen mit außen.
Aus der Erschließungshalle ist einerseits der Platz
erlebbar, andererseits wirkt der Platz selbst in die
Eingangshalle hinein, so daß die große
sandsteinverkleidete Wand, die das Rückgrat des Neubaus
bildet, gleichsam als Platzbegrenzung wirkt. Die transparente
leichte Bauweise macht sich auch im Sitzungssaal bemerkbar,
welcher sich zum Kurpark hin öffnet. Man konnte sagen, die
Sitzungen finden gleichsam im Grünen statt.
Das
Treppenhaus des Neubaus ist ebenfalls vollkommen verglast. Es
führt in das zweite Obergeschoß, in dem sich der
kleine Sitzungssaal befindet. Von hier aus hat man einen
Überblick über die Gesamtgemeinde. Der Aufzug, der alle
Geschosse miteinander verbindet, ist über das
Glastreppenhaus auch von außen sichtbar. Vom Aufzug selbst
hat man über Bullaugen ebenfalls einen Ausblick in den
grünen Garten des Hauses Bühler.
Die
Verknüpfung von innen und außen, die Transparenz und
Offenheit und damit das Hineinwirken der Kurparkatmosphäre
in das Gebäude war eine wichtige Zielvorstellung.
Im Inneren ist das Ensemble durch die Beschränkung
auf wenige Materialien und eine schlichte Ausgestaltung
charakterisiert. Die Verwaltungsräume haben eine helle
freundliche Raumgestaltung erhalten. Sie werden indirekt und
damit bildschirmarbeitsplatzgerecht beleuchtet. Die
Repräsentationsräume wie z. B. der Sitzungssaal, das
Trauzimmer haben einen Parkettfußboden. Einzelne Wände
sind mit Birnbaumholz verkleidet. Die Türen zu den
Verwaltungsräumen nehmen dieses Material wieder auf, so daß
eine Verbindung hergestellt wird.
Die
Gestaltung des Platzes zu einer neuen Ortsmitte ist ein
wesentlicher Teil der Gesamtkonzeption. Durch vielfältige
Erlebnisbereiche um den Platz, wie z. B. überdachte
Sitzmöglichkeiten unter der Promenade, eine
Aussichtsterrasse, ein Kurparterre mit Kübelpflanzen, eine
Brunnenanlage unter einem großen Baum, eine
Informationshalle mit einem Informations- und Reservierungssystem
über Veranstaltungen und Hotels, öffentliche WC-Anlage,
entsteht eine neue attraktive Ortsmitte
Dipl.
-Ing. Karl Haag
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