Nr,1101, Beilagen: 1 genereller Entwurf 1 : 2500 Bl. 1,

1 Blatt Regelquerschnitte 1 . 100 Bl. 2; 1 Trassierungsskizze Bl. 3

Erläuterungsbericht

zum

Ortsbauplan S c h ö m b e r g

Abschrift August 2001; (es wurden der besseren Lesbarkeit wegen zusätzliche Absätze eingefügt und lange Sätze getrennt) W. Obert

Einleitung:

Die für den Höhenluftkurort Schömberg allmählich dringend gewordene rasche und einwandfreie Beseitigung der Schmutzstoffe unter weitmöglichster Reinhaltung des Reichenbaches (Eulenbach,) und des Untergrundes zwang die Gemeinde zur Inangriffnahme des Ausbaus ihres Kanalnetzes und damit zur Aufstellung eines Kanalisationsentwurfes. Denn kaum in irgend einem Landort hängt die Baureifmachung eines Geländes so sehr von dem Vorhandensein einer geordneten Kanalisation ab wie in Schömberg, das sich Dank seiner klimatischen Vorzüge ganz besonders für die Krankenpflege und für den Kurbetrieb eignet.

So bildete die Aufstellung des Kanalisationsentwurfes den Anlaß zur Ausarbeitung des Ortsbauplans durch Kat. Geometer Schilling im Sommer v.Js.

Die Gemeindeverwaltung ersuchte die Beratungsstelle um Überprüfung dieses Schilling´schen Entwurfes (künftig kurz Entwurf "S". genannt).

Ich ziehe es vor, das Ergebnis dieser Begutachtung nicht in Form einer ausführlichen und unübersichtlichen schriftlichen Äußerung dem Gemeinderat Schömberg mitzuteilen, sondern an Hand eines generellen Entwurfes (kurz Gegenentwurf genannt) aufzuzeigen, wie der Ortsbauplan von Schömberg etwa beschaffen sein könnte, damit er lebensfähige und anziehende Siedlungsgelegenheiten bietet und allen bau- und wohnungstechnischen, gesundheitlichen, wirtschaftlichen, sozialpolitischen und schönheitlichen Rücksichten Rechnung trägt und den für die Gegenwart und Zukunft gegebenen Bedürfnissen der Bevölkerung so entspricht, daß sich auf' ihm alle Schichten gesund und froh entwickeln können. Dann stellt der Ortsbauplan keine sinnlose Linienzusammenstellung dar, sondern bildet einen lebens- und entwicklungsfähigen Organismus, der Kraft und Charakter hat.

Wenn ich im Folgendem die Gründe auseinandersetze, die für mich bei der vorliegenden Planung bestimmend waren, so geschieht dies nicht ohne gelegentliche Vergleiche mit dem Entwurf "S". Es wird dann auch dem Laien ohne weiteres möglich sein, zu dem Wesentlichen der beiden Entwürfe Stellung zu nehmen.

Der alte Dorfgrundriss zeigt die typischen Merkmale der Weilersiedlung des Schwarzwalds: das bogenförmig um die das Eulenbachtal einschießende Talmulde weiträumig herumgebaute Dorf zeigt zahlreiche Gruppen von Gehöften in zerstreuter Bauweise, deren einzelne Gebäude regellos durch Gras- und Baumgärten von einander getrennt, die herrlichen Wiesengründe des Reichenbachtals umsäumen.

Am südl. Abhang der Talmulde haben sich bis zur Liebenzellerstrasse neue Ansätze der Bebauung gebildet, in deren Mittelpunkt die anspruchslose Kirche steht. Das Charakteristische der alten Ortsform, die Muldenlage wird infolge der Geländebeschaffenheit auch den neuen Ortsgrundriss auszeichnen, wie auch die Zweckbestimmung von Schömberg, dem Kurbetrieb und der Krankenpflege zu dienen, dem künftigen Ortsbauplan eine besondere Note geben wird, da von den ungefähr 1900 Einwohnern über 500 Kranke sind. Auf den natürlichen Vorbedingungen (Geländeform, Umgebung, Klima, geschichtliche Ortsform und dergl) und der Zweckbestimmung von Schömberg (Höhenluftkurort hauptsächlich für Lungenleidende) bauen sich die Aufgaben des neuen Ortsbauplans auf. Sie gehen aus von der Frage: "Wo und für wen soll gebaut werden?" In 1. Linie sollen Pensionen, Heilanstalten, Landhäuser für bemittelte Kranke gebaut werden.

Feuchte, nebelige und sonnenlose Hänge und Mulden sind zu meiden; günstige Sonnenlage der Straßen und Häuser ist besonders wichtig. Die Wege für die Kranken sollen bequem und frei von Wagenverkehr und Staub in die Wälder führen. Neu-Schömberg soll kein Tummelplatz eines glänzenden Weltverkehrs werden, sondern mehr einer Gartenstadt oder- wenn man so will- einem Gartendorf ähneln. Es soll aber auch kein zufälliges oder willkürliches Nebeneinander von Wohn- und Geschäftshäusern, von Krankenanstalten und Vergnügungsstätten entstehen.

Da aber bekanntlich nicht nur die Liegekuren und ärztliche Behandlung, nicht nur der Gesundheit. Wert der Höhenluft und des Waldes zur Wiedererlangung der Gesundheit dienen, sondern auch eine künstlerisch abgestimmte landschaftliche Umgebung zur Erfrischung des Geistes, zur Loslösung von der Prosa des Alltags und damit zu neuen Anregungen, zur Erheiterung des Gemütes, kurz auch zur seelischen Wiedergesundung beiträgt, ist darauf Bedacht zu nehmen, daß der natürliche Wald und die künstlichen Kuranlagen durch Grünverbindungen bequem vom alten Ortskern und von den Erweiterungsgebieten erreicht werden können. Schließlich kann durch gartenkünstlerische Gestaltung der Vor- und Hausgärten die Behaglichkeit des Wohnens weiter gesteigert werden.

Wird schließlich noch der Verkehr so geführt, dass ruhige Wohnviertel entstehen, wird Bauland und Freiland derart verteilt, daß bei den durchschnittlichen ortsüblichen Bodenpreisen von 6 M/qm die Wertsteigerung des Baulandes das von der Bebauung ausgeschlossene und daher im Werte niedrig bleibende Freiland mit verzinst, wird endlich das Verhältnis von freier Natur und bebautem Gebiet so geregelt, daß die Möglichkeit dauernder Freihaltung, planmäßiger Bewirtschaftung und liebevoller Pflege der privaten Freiflächen (in Bl.1 dunkelgrün) und der öffentlichen Freiflächen (hellgrün) besteht, dann wird der bei der Gemeindeverwaltung von Schömberg lebendige Wille zu planmäßiger Behandlung der künftigen Ortsbesiedlung zur Tat, dann erst wir der künftige Ortskörper sich als brauchbar und lebensfähig erweisen.

Verkehrsführung.

Die Verkehrsfrage hat sich jetzt als wichtigste und grundlegendste Frage des neuzeitlichen Ortsbauplanwesens durchgesetzt. Sie ist im Vergleich zu den anderen Fragen des Ortsbauplans technisch und wirtschaftlich von der größten Tragweite. Hier gilt es, über die Bedürfnisse des nächsten Tages hinauszugehen und um etwa 3 Menschenalter seiner Zeit vorauszueilen. Wer das nicht kann, wird nie einen brauchbaren Ortsbauplan zu Stande bringen. Einmal begangene Fehler sind hier schwer und unter großen Opfern wieder gut zu machen und rächen sich durch empfindliche Hemmung des Verkehrs- und Geschäftslebens. Der Entwurf "S" läßt ein klares Verkehrsgerippe vermissen; es fehlt jede Trennung zwischen Wohn- und Verkehrsstrassen. Woher das kommt, wird sich bald zeigen.

a) Der Eisenbahnverkehr.

Die von der Gemeindeverwaltung angeregte bergbahnartige Lokalbahnvebindung von Unterreichenbach- Kapfenhardt- Schömberg, die von der Eisenbahn-Generaldirektion Stuttgart im September 1918 generell untersucht wurde, ist in sofern im vorliegenden Gegenentwurf berücksichtigt worden, als der künftige Bahnhof Schömberg in der Nähe der Einmündung von F.W. 10 in Vic.W.Nr.2/1 am Nordostende der Ortschaft angenommen und die Strassenführung hiernach geplant wurde. Bl.3 zeigt generell ungefähr die Bahntrasse (blaue Linie), die in den Gewanden "breite Äcker" und "Milbich" außerhalb des Ortserweiterungsgeländes liegt. Die Hauptzufahrt zum Bahnhof (Höhe 607 m) erfolgt durch die Talstrasse 0.W. Nr.3 oder durch die Straße Nr. 9, die eine Weile dem Salmbacher Weg folgt, dann jedoch nach Norden abbiegt.

Eine etwaige Fortsetzung dieser Bahn nach Oberlengenhardt wird das Neubaugebiet kaum berühren, so das besondere Rücksichtnahme auf diese - übrigens wenig wahrscheinliche Bahnstrecke im vorliegenden Plan nicht erforderlich schien. Über das Bedürfnis nach einer leistungsfähigen Bahnverbindung mit der Nagoldbahn braucht hier nichts gesagt zu werden. Es ist dies in überzeugender Weise in dem Schreiben des Schultheissenamts Schömberg an die Generaldirektion der württ. Staatseisenbahn vom 13. Juli 2918 geschehen. Bei aller wirtschaftl. Not, in der wir uns befinden, wird ein verantwortungsvoller Ortsbauplan heute nicht mehr die Frage einer solchen Eisenbahnverbindung Schömbergs mit dem Nagoldtal übersehen können

In diesem Zusammenhang soll auch des Projektes einer elektr. Vorortbahn Pforzheim- Büchenbronn- Schömberg Erwähnung geschehen, das i.J. l9l2 aufgestellt wurde. Die Linienführung dieser Bahn auf eigenem Bahnkörper durchschneidet das nördl. Baugebiet. Bei der Unsicherheit dieser Verkehrsverbindung erschien mir ihre Berücksichtigung im Ortsbauplan nur insoweit gerechtfertigt, als damit keine Nachteile für den Gesamtplan verbunden sind. Die Vorortbahn kann entweder mitten durch die Baublöcke oder -noch besser- im Zuge der Hauptdurchgangsstrasse Nr. l geführt werden. Will letzteres gemacht werden, dann müßte der in BI.2 gezeichnete Querschnitt Straße 1 eine entsprechende Umgestaltung erfahren. Die Möglichkeit zu einer solchen könnte dadurch sichergestellt werden, daß einer der beiden Vorgärten gemäß Art.11 Abs.2 BauO. mit dem Vorbehalt seiner späteren Heranziehung zu dem Verkehrsraum der Straße festgesetzt und nach 5 Abs.2 der Vollz.Verf. zur BauO. mit grüner Farbe schraffiert wird.

  1. Überlandstrassenverkehr.

Wichtige Durchgangsstrassenzüge berühren Schömberg nicht; dafür sorgt schon seine geographische Lage auf der zwischen Enz und Nagold gelegenen Hochplatte. Gleichwohl spielt der Durchgangsverkehr für Schömberg eine wichtige Rolle, einmal wegen dessen Beziehungen zu dem Kurortcharakter, dann wegen der muldenförmigen Ortslage und deren Strassenzüge.

Hier muß gleich hervorgehoben werden der geringe Verkehrswert der Talstrasse (0.W.3), die mit ihren zahlreichen Steilstrecken und Engstellen nicht für einen mittleren und schnellen Durchgangsverkehr befähigt ist. Diese Talstrasse wird also in dem künftigen Verkehrsnetz nur eine untergeordnete, rein örtliche Bedeutung besitzen. Die während der nächsten 20 - 30 Jahre wichtigste Durchgangsstraße wird die Vicinalstrasse Liebenzell- Schömberg- Langenbrand- Höfen sein, auf der seit Mai 1912 ein geregelter Kraftwagenverkehr eingerichtet ist und die seither die für Schömberg bestimmten Personen und Güter beförderte.

Durch den Neubau der Langenbranderstrasse im alten Ortsteil (0. W. 9) ist der Grundriß und das Längenprofil dieser Straße für die nächsten Jahrzehnte ausreichend gestaltet worden. Die Beziehungen des neuen Ortstauplans zu dieser Durchgangsstraße sind günstige; der Anschluß der neuen Strassenzüge an die Liebenzell- Neuenbürger Vicinalstrasse ist im Gegenentwurf klarer und einfacher als im Entwurf "S". Dies erleichtert den Durchgangs- und den örtlichen Verkehr. Allerdings ist nicht zu leugnen, daß die Führung dieser Straße mitten durch den alten Ortsteil, oder vielmehr die Entwicklung des Ortskerns entlang dieser Durchgangsstraße unter den heutigen und künftigen Verkehrsverhältnissen eine für beide Teile, d.h. für den Verkehr und noch mehr für die Anwohner, ungünstige ist und daß nicht nur verkehrstechnische sondern namentlich auch gesundheitliche Rücksichten in nicht allzu ferner Zeit eine günstigere Leitung des Verkehrs erheischen werden. Dies um so mehr, als die Liebenzellerstrasse durch und oberhalb der Stadt Liebenzell in Grund- und Aufriß einem stärkeren Kraftwagenverkehr auf die Dauer nicht mehr gewachsen sein wird. Eine Verbesserung der Schömbergerstrasse wird aber in Liebenzell kaum mehr möglich sein. Es wird deshalb ein weiteres Anwachsen des Verkehrs nach Schömberg das Aufsuchen einer leistungsfähigen Verbindung mit dem Nagold- und Enztal zur Folge haben.

Eine solche Durchgangsverbindung zwischen Nagold- und Enztal ist in einer Straße von Unterreichenbach- Kapfenhardt- Schömberg- Calmbach (oder Höfen) zu erblicken. Sie würde von der linksseitigen Talstrasse in Kapfenhardt bei der unteren Mühle abzweigen und am linken Hang des Eulenbachtales hinauf nach Schömberg führen, dessen Neubaugebiet sie als Straße 1 durchzieht, die Langenbranderstrasse beim Signal "Weberbusch" kreuzend und am Nordwestrand des Plangebiets beim Bühlhof in die Straße nach Calmbach einmünden. Über die Führung dieser Überlandstrasse durch das Ortserweiterungsgebiet lag eine 2.Möglichkeit vor:

Führung näher am Ortskern, Kreuzung der Langenbranderstrasse oberhalb des Dürr'schen Anwesens Nr.174 und Führung mitten durch das westl. Plangebiet im Gewand "Rosenhardt".

In meinem Vortrag vor der technischen Abteilung des Gemeinderats am 23.6.20 habe ich an Hand von 2 Skizzen die Vor- und Nachteile dieser beiden Strassenführungen erläutert, so daß ich hier nicht mehr darauf einzugehen brauche. Entsprechend meinem Vorschlag wurde die l. Lösung gewählt. Sie hat den Vorzug, den Durchgangsverkehr am Rande des Erweiterungsgebiets vorbei und nicht mitten durch dieses zu führen (Höchststeigung 5%). Dadurch wird die Ruhe und Behaglichkeit der Wohnungen nicht gestört und dem Durchgangs- wie dem örtl. Verkehr die geringste Erschwerungen auferlegt. Für eine gute Verbindung mit dem alten Ortsteil sorgt die Straße 9 und die Langenbranderstrasse.

Anstatt die Durchgangsstraße Unterreichenbach- Schömberg- Calmbach entlang der linken( Nordseite der Talmulde zu führen, könnte u.U. auch eine Führung am rechten (Süd-) Talhang in Frage kommen. Dabei hätte von Kapfenhardt diese Straße am rechten Hang des Reichenbachtales bis zur Neuen Heilanstalt hinauf geführt werden können, wo sie dann in die Liebenzellerstrasse einmünden würde. Irgend welche Vorteile hätte eine solche Führung jedoch nicht; ihre Lage am kalten Südhang hätte vielmehr nur Nachteile gehabt; verkehrstechnisch wären gleichfalls nur Nachteile entstanden.

Dagegen wird eine Verbindung der Liebenzellerstrasse mit dem Bühlhof entlang der nach Süden ausbuchtenden Talmulde in den Gewanden "Stockäcker, Dreiäcker, Hobel" (Straße 14) vorteilhaft sein, da sie den Verkehr Liebenzell- Calmbach bequem um den alten Ortsteil herum leitet (Höchststeigung 4,5%) und gleichzeitig das südl. Erweiterungsgelände aufschließt. Gegenüber der Durchgangsstraße 1 (Nagold- Enztalverbindung) die an der sonnigen Nordseite des Tales das Siedlungsgelände aufschießt hat die südl. Straße 14 gesundheitliche und verkehrstechnische Nachteile: Führung durch die nasse, nebelige Talmulde mit, 2 scharfen Wendungen beim Abzweigen von der Liebenzellerstrasse hinter Gebäude 186 und beim Kreuzen von F.W.12/3; auch im Längenprofil ist die Nr.l4 der Nr.1 unterlegen: während Nr.1 nur auf verhältnismäßig kurze Strecken eine Höchststeigung von etwa 5% hat, im übrigen aber nur 2 % Steigung aufweist, besitzt die Nr.14 eine durchgängige Steigung von 4,5 % Es wird weiter unten zu erörtern sein, wie sich die gesundheitl. Aufgaben von Neu-Schömberg zu diesen Hauptstraßen (Nr. 1 u. 14) verhalten.

Außer diesen 2 Hauptverbindungen zwischen Nagold und Enztal durchziehen Schömberg nach 2 Nordsüdstrassen: Neuenbürg- Langenbrand- Schömberg- Oberreichenbach und Pforzheim- Büchenbronn- Salmbach- Schömberg, die jedoch gegenüber den Ost-Weststrassen von untergeordneter Bedeutung sind, Der letztere dieser beiden Verkehrswege ist bereits oben als elektr. Vorortsbahnverbindung Pforzheim- Schömberg erwähnt worden. Die Führungen dieser Nord-Süd- (Schwarzwald) Straße durch Schömberg erfolgt im Zuge der vorhandenen Straßen Vic.W.Nr.4, O.W.5, O.W.9 und Vic.W.1 Für organische Verbindung dieser Schwarzwaldstrasse mit dem Ortserweiterungsgebiet ist gesorgt.

Durch die vorstehend geschilderten Hauptverkehrszüge wird dem neuen Siedlungsorganismus Blut von aussen zugeführt, sie bilden das Gerippe von Neu-Schömberg, auf dem sich die Wohnstrassen und Verbindungswege aufbauen. Entsprechend den Bedürfnissen des Durchgangs- und örtl. Verkehrs wurden die Wohnstrassen so gelegt, daß sie die Verkehrsstrassen möglichst selten kreuzen. Deshalb wurden die Baublöcke mit ihrer Längsrichtung gleichlaufend zu den Hauptstrassen gelegt. Dies wurde sowohl durch die Geländeform, wie durch die Lage der Eigentumsgrenzen begünstigt. Besondere Sorgfalt ist auf die gute und übersichtliche Einmündung der Querstrassen in die Durchgangsstraßen zu legen. Verkehrstechnische und gesundheiltliche Rücksichten ergeben entlang den Hauptverkehrsstraßen eine reichlichere Bemessung der Vorgärten. Durch Baumschmuck wird die angestrebte Wirkung noch mehr gesichert

c) Der örtliche Verkehr

Ausgehend von den soeben geschilderten Durchgangsstraßen spielt sich ich im übrigen Straßennetz der örtliche Verkehr ab, der für Schömberg infolge des geringen Anteils der Landwirtschaft vorwiegend aus Fussgängerverkehr besteht. Nur einzelne Strassenzüge haben auch einigen Wagenverkehr. So z.B. die Zufahrtsstraße 2 von der NR.1 zum neuen Sanatorium für das im Gewand "Mühläcker" schon vor dem Krieg ein Platz in Aussicht genommen war (auf Parz. Nr. 117 und 146/1). Ferner eine bequeme Fahrstrasse von der Talstrasse zur Neuen Heilanstalt (Straße 10). Hiefür ausschlaggebend war, die Durchgangsstraße 1 mit der Neuen Heilanstalt in gute Verbindung zu bringen. Dies geschieht durch die Nr.9 und die Straße 10. Ich habe die Abzweigung der Nr. 10 von der Talstrasse zwischen Gebäude Nr. 9 und 10 gewählt, weil diese mir verkehrstechnisch und wirtschaftlich vorteilhafter schien, als die Abzweigung bei der Einmündung von F.W.10 zwischen Gebäude 1 und 2 der Talstrasse. Allerdings war es mir bei den vorliegenden Planunterlagen mit deren mangelhaften Höhenangaben nicht möglich, diese Frage, namentlich auch nach ihrer wirtschaftl. Seite hin eingehender zu untersuchen. Es wird dies Sache der endgültigen Ortsbauplanbearbeitung sein.

Weiter war dafür Sorge zu tragen, daß das neue Sanatorium in "Mühläcker" so bequem wie möglich mit dem alten Ortskern und dem neuen Erweiterungsgebiet verbunden wird, um eine Abwanderung der in diesem neuen Unternehmen in Behandlung Stehenden nach dem nahe gelegenen Langenbrand zu verhindern. Die Straße 2 und die Langenbranderstrasse dürften neben den Verbindungswegen Nr.20 und 21 diesem Zweck genügen. Soweit möglich, sind die Straßen und Verbindungswege nicht über 4% steigend, um für die Kranken möglichst bequem zu sein. Namentlich wurde darauf gesehen, daß der Fussgängerverkehr der Kranken sich abseits von den staubigen Straßen auf Grünwegen, die mitten durch die Baublöcke hinaus in den Wald führen, bewegen kann. Hiezu wurden bestehende Feldwege soweit als möglich beibehalten; daß dies ab und zu mit einer größeren Steigung erkauft werden mußte, ist einleuchtend, erleichtert aber die Durchführung des Ortsbauplans ganz erheblich.

Noch einiges über die städtebauliche Bedeutung der Strassenquerschntte:

Ausschlaggebend war in meinem Gegenentwurf -wie bereits erwähnt- die scharfe Trennung zwischen Wohn- und Verkehrsstrassen. Jede Straße hat eine ganz bestimmte Aufgabe, die mit ihrer Lage im Ortsgrundriss und mit dem Charakter der betr. Ortschaft zusammenhängt. Dies kommt nicht blos im. Grundriß und Längenschnitt der Straße, sondern namentlich ach im Querschnitt zum Ausdruck. Maßgebend sind hiefür insbesondere Verkehrsrücksichten, strassenbautechn. Gründe, wirtschaftliche Erwägungen, schönheitliche (Verhältnis von Strassenbreite zu Haushöhe), gesundheitliche (Windschutz, Licht und Luftzufuhr) und praktische Durchführbarkeit. Durch möglichst viel Abwechslung in den Strassenquerschnitten sollen eindrucksvolle Strassenbilder gesichert werden. Fast alle Straßen erhielten schmückendes und sanitäres Grün in Form von Vorgärten und Baumreihen. Es hat keinen Sinn, in gedankenloser Weise städt. Strassenquerschnitte in eine ländliche Ortschaft zu verpflanzen, sie mit glatten Gehwegen zu versehen, die mit. üppigen und teuren Randsteinen eingefaßt sind, wo nur ein geringer Verkehr (Wagen- und Fußverkehr) herrscht. In BI.2 sind einige Anregungen zu Strassenquerschnitten gegeben, wie sie für Neu-Schömberg am Platze sind. Wenn die Vorgärten nur wenige Meter breit sind, wirken sie in ländlichen und weiträumigen Verhältnissen kümmerlich, armselig. Um hier in Schömberg ihren Zweck zu erfüllen, sollten sie nicht unter 8-10 m Breite angelegt werden.

Gesundheit.

Neben der Regelung der Verkehrszüge ist die Frage der Grünanlagen für Schömberg von größter Bedeutung. Außer den Blutadern bedarf ein lebensfähiger Siedlungsorganismus noch der Lungen. Die freie Landschaft soll im neuen Ortskörper verwachsen bleiben, es soll eine in Grün gebettete Ortsform entstehen, die das Schlichte und einfache vom Dorf, das Geordnete und Schöne vom Landhausviertel besitzt. Der Entwurf "S" sieht zerstreute, dreieckige Baumpflanzungen vor, die an verfehlte städt. Anlagen erinnern und in Schömberg weder schönheitlich noch gesundheitlich von irgend welchem Wert sind. Diese Baumgruppen werden als hilflose Inseln dem Verkümmern preisgegeben sein. Deshalb faßte ich alle Freiflächen zu hygienisch und ästhetisch wirksameren und in der Anlage und Unterhaltung wohlfeileren grünen Streifen zusammen, die in den Ortskörper eindringen und hinaus in den Wald führen.

Der Hohlweg im Zuge von F.W.5, das neue Sanatorium, der geplante künftige Kurpark nebst dem Sportplatz für die einheimische Bevölkerung, sowie die als Schulhausplatz in Aussicht genommenen Gemeindeparzellen Nr.270/1 und 2 samt ihrer südöstlichen Fortsetzung bis zu den bestehenden Kuranlagen im Gewand "Biegel" boten willkommene Anhaltspunkte für die beiden Hauptgrünstreifen, Vic.W:5 und F.W.34 gaben weitere Grünstreifen ab. Sie führen mit den übrigen Verbindungswegen radial aus dem alten Ortsteil hinaus ins Freie.

Als ringförmige Wanderwege ist die entlang der Straße 1 vorgesehene Promenade, sowie die Aussichtsstrasse Nr.7 unmittelbar über dem alten Ortsteil geplant. Es wurde besonderer Wert darauf gelegt, die Wanderwege der Kranken abseits der Verkehrsstrassen und mit Steigungen bis zu höchstens 4% anzulegen, überall viel Baumschmuck anzuordnen, selbst wenn dies auf Kosten der Aussicht geschah und die Gebäude mitten in Gärten zu legen, auch wenn dies notwendigerweise zu wirtschaftl. Opfern (hinsichtlich der unterirdischen Leitungen) führte. Auf diese Weise, sowie durch die reichliche Landzuteilung zu der einzelnen Baustelle (8 ar i.M.) und durch lockere Bauweise (10-20 m Gebäudeabstand) wird eine weiträumige, gesunde Siedlung erreicht.

Das nasse, feuchte und nebelige Gelände im Gewand "Maierwiese" wurde von der Bebauung ausgenommen, ebenso der nasse Talgrund des Eulenbaches, letzterer besonders auch aus landschaftlichen Rücksichten. Die im "S" vorgesehene Bebauung im südwestl. Planteil im Gewand "Dreiäcker" und "Striebel" wurde als zu ungesund aufgegeben. So ist in Schömberg so viel sonniges und verkehrstechnisch günstig gelegenes Bauland vorhanden, besonders an dem windgeschützten, nach Nordwesten ansteigenden Berghang beiderseits der Langenbranderstrasse und der Straße 1, daß an dem kalten südlichen Muldenhang nicht ohne Not gebaut werden sollte. Es mag ja zugegeben werden, daß die bestehenden Weganlagen in "Stockäcker" und "Maierwiese" zunächst die Bebauung dieses Geländes erleichtern; aber es darf nicht übersehen werden, daß für Schömberg und dessen kaltes, rauhes und windiges Klima eine günstige Sonnenlage und guter Windschutz die wichtigsten Vorbedingungen für gesundes Wohnen sind. Dies ist aber am südl. Talhang nicht der Fall. Das beweisen die Häuser an der Liebenzellerstrasse und besonders die Neue Heilanstalt.

Das war eben der Fehler an der alten Ortslage, daß sie aus Bequemlichkeit und infolge Fehlens eines guten Ortsbauplans entlang den bestehenden Straßen vornehmlich entlang der Liebenzellerstrasse sich entwickelt hat. So darf es nicht weitergehen! Es wäre kurzsichtig und unverantwortlich, wenn die Gemeinde es unterlassen würde, das gesundheitlich und landschaftlich in erster Linie bauwürdige Gelände in "Mühläcker" und "Hausäcker" d.i. nördlich der Talstrasse bald durch .die eine oder die andere Straße (Straße 6 und 1) aufzuschließen und die Bebauung am südl. Talhang nicht zu verzögern, der die Nordwestwinde aus erster Hand bekommt und -wie schon seine Vegetation zeigt- durch Feuchtigkeit und Kälte sich auszeichnet. Die Wohnungen eines Höhenluftkurorts von der Bedeutung Schömbergs müssen in l. Linie gesund sein. Das können sie nur sein, wenn der Untergrund auf dem sie stehen rein, trocken und warm ist.

Ich betrachte daher den nördl. Talhang als den Schwerpunkt von Neu-Schömberg. Deshalb habe ich dort die Hauptdurchgangsstrasse geführt und das neue Sanatorium, sowie den künftigen Kurpark samt Spielplatz angeordnet. Ich habe bereits bei meiner Geländebesichtigung am 19.4.20 erwähnt, daß die im Gewand "Biege" angelegten Kuranlagen infolge ihrer ungünstigen Sonnen- und Windlage ihren Zweck nicht erfüllen werden und daß bei weiterem Anwachsen von Schömberg die Anlage eines Kurparks in Anlehnung an das Neue Sanatorium im Gewand "Strassenäcker" auf dem sonnigen windgeschützten Nordhang der Talmulde auf der staatlichen Parzelle 116 ins Auge gefaßt werden muß. Der Mooswuchs der Bäume in den heutigen Kuranlagen läßt keinen Zweifel darüber zu, daß der gewählte Platz unrichtig ist.

Für die schulentlassene Jugend von Schömberg habe ich einen Spielplatz auf den gemeindl. Parz. 111 im Gewand "Hausäcker" vorgesehen. Durch die Vereinigung von Spielplatz, Kurpark und den Gartenanlagen des neuen Sanatoriums entsteht hier ein landschaftlich und künstlerisch durchgebildetes Ortsbild von stärkster Ausdrucksfähigkeit und größtem gesundheitlichem Wert. Auf dem Schulhausbauplatz im Gewand ,,Bachäcker" dagegen ist für einen Schulgarten mit Spielpatz für die schulpflichtige Jugend Vorsorge getragen. Die Fortsetzung des durch ihn gebildeten Grünstreifens bilden die bestehenden Kuranlagen beim prächtigen Wald, die für die nächsten 20-30 Jahre den vorkommenden Bedürfnissen genügen werden.

Schömberg hat mit seiner Zweckbestimmung als Höhenluftkurort eine hohe nationale Aufgabe zu erfüllen: das große Heer der Lungenkranken gesundheitlich zu kräftigen. Es müssen also hygienische Rücksichten in aller erster Linie beim neuen Ortsbauplan stehen Erfüllt nun der nach Bl.31. für die Bebauung in Aussicht genommene Baugrund die grundlegendsten hygienischen Forderungen?

1) Reinheit u. Trockenheit des Untergrundes;

2) ausreichende Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser;

3) Möglichkeit einer raschen und einwandfreien Beseitigung der Schmutzstoffe unter weitestgehender Reinhaltung des Eulerbaches? Es wurde bereits oben erwähnt, daß der Gegenentwurf ?mehr als der Entwurf "S"- a1le feuchten Flächen aus dem Baubereich ausscheidet. Nochmals sei auf die ungesunde Lage des südl. Talhanges gegenüber der prächtigen sommerlichen und windgeschützten Lage des nördl. Hanges hingewiesen, sowie auf die Pflicht der Gemeinde, die Baureifmachung des letzteren möglichst zu fördern.

Die Versorgung des Neubaugebietes mit einwandfreiem Trinkwasser ist aus dem auf Höhe 680 m gelegenen Wasserbehälter beim Bühlhof und darüber hinaus von der neuen Pumpstation aus in "?wiesen" möglich.

Bei der großen Bedeutung der einwandfreien Beseitigung der Abwässer für Schömberg wird es sich empfehlen, nach Feststellung des Ortsbauplans, den Staatstechniker für Abwasserbeseitigung mit der Ausarbeitung des Kanalisationsplanes zu beauftragen. Mit Rücksicht auf die Infektionsgefahr wird nur Schwemmkanalisation mit Klärbetrieb in Frage kommen. Es bedarf daher kaum besonderer Betonung, daß die wirtschaftliche Erschließung eines Baugeländes und daher die Kosten der Wohnungsherstellung heute mehr denn je von der wirtschaftlich einwandfreien Lösung der Entwässerungsfrage abhängt. Gerade in diesem Punkt zeigt sich der Unterschied zwischen dem Entwurf "S" und dem Gegenentwurf besonders deutlich. Dem Kanalisationstechniker wird es anfallen, daß die talseitigen Baustreifen im Gegenentwurf 8 m und mehr von der Straße abgerückt, also durch Vorgärten von dieser getrennt sind. Ich tat dies -wie bereits erwähnt- aus gesundheitl.- und schönheitl. Rücksichten, da für einen Kurort von der Bestimmung Schömbergs die Häuser in Gärten gebettet sein sollten. Ich bin mir dabei wohl bewußt, daß hiedurch für den Strassenkanal und für die talseitigen Zuleitungskanäle Mehrtiefen von etwa 1,30 m (3,30 m anstatt 2 m) bedingt sind, die bei dem vorhandenen Untergrund (Bundsandstein) u.U. kostspielig werden können, doch glaubte ich dem Landschaftsbild und den gesundheitl. Aufgaben von Schömberg dieses Opfer bringen zu sollen, das bei geschicktem Entwerfen des Entwässerungsplanes sich zum Teil wieder ausgleichen läßt und durch die nicht in Geld auszudrückenden gesundheitl. und schönheitl. Werte reichlich aufgewogen wird.

Bezüglich der Lage der gemeinsamen Abwässerreinigungsanlage sei hier der Wunsch gestattet, diese möglichst weit talwärts zu legen und sie durch den bestehenden Wald zu verdecken. Es sollte m.E. eine Entfernung von mindestens 500-600 m von der Neuen Heilanstalt gewählt werden, damit der herrliche Blick auf das Eulenbachtal und den stattlichen "Hauswald" den man vom Salmbacher Weg und dem nordwestlich daran anstoßenden Gelände genießt, nicht durch den schlechterdings nüchtern wirkenden Bau der Kläranlage beeinträchtigt wird.

Wirtschaftlichkeit,

Versteht man die Aufgaben, die an einen Ortsbauplan gestellt werden müssen, richtig, so gilt es, einen für die örtlichen Bedürfnisse und Zweckbestimmungen, für die geschichtl. Wohn- und Lebenssitten passenden Baugrund ausfindig zu machen, der eine volks- und privatwirtschaftliche gesunde Grundlage für die Besiedlung abgibt, bei dem die technischen Fragen hinsichtlich Be- und Entwässerung und des Verkehrs, so gelöst werden können, daß sie den Anforderungen der heutigen Zeit genügen und bei denen die Möglichkeit ihrer Erweiterung für die Zukunft gegeben ist. Dabei ist den hohen gesundheitl. Anforderungen zu entsprechen, die sich aus der Zweckbestimmung Schömbergs ergeben: durch weiträumige Besiedlung in gesunden, ruhigen Wohnvierteln mit luftigem Blockinnern und großen Haus- und Vorgärten, durch die Möglichkeit einwandfreier Entwässerung, durch die Anlage von bequem begehbaren Grünflächen, die den Kranken Erholung und Anregung geben sollen. Geländekosten, abgestufte Bemessung von Verkehrs- und Wohnstrassen, verschiedene Ausnützung des Baulandes nach Höhe und Fläche, abgestufte Landzuteilung, sparsame und wirtschaftliche Gestaltung der Straßen- und Platzflächen u.a. mehr sind die wichtigsten Grundlagen einer derweitigen wirtschaftl. Ortsform.

Auf die Eigentumsverhältnisse konnte weitestgehende Rücksicht genommen werden, ebenso auf vorhandene Weganlagen. Dies erleichtert die Durchführung des Ortsbauplan und ermöglicht günstige Grundrissformen.

Die sorgfältige Anpassung der Strassenführung an die Geländeform vermeidet größere Erdbewegungen, Doch wird eingehendere Planung auf Grund genauer Lage- und Höhenpläne da und dort noch Verschiebungen in der Linienführung erforderlich machen, um Straßen- und Hausbaukosten auf ein Kleinstmaß zu bringen.

In einem wirtschaftl. Ortsbauplan werden auch Bauplätze für öffentl. Gebäude vorzusehen sein, damit sie sich mit bescheidensten Mitteln in das sie umgebende Ortsbild als Dominante einfügen lassen. Dies gilt für das neue Sanatorium samt Kurpark und Sportplatz in "Mühläcker" und "Strassenäcker", sowie für das Schulhaus nebst Spielplatz in "Bachäcker". Weitere öffentliche Gebäude lassen sich an verschiedenen anderen Plätzen anordnen.

Schönheit:

Aber nicht nur die Bedürfnisse des Verkehrs, der Gesundheit, des Tief- und Wohnungsbaues und der Wirtschaftlichkeit gilt es bei einem Ortsbauplan zu berücksichtigen, sondern auch die der Kunst: Jede Ortschaft soll ein Kunstwerk sein. Der Ortsbauplan soll das in eine künstlerische Form bringen, was der Inhalt menschlich gesellschaftlicher Lebensziele ist, dann werden unsere Ortschaften wieder der lebenswahre Ausdruck ihrer Bewohner, die schlicht und ehrlich, aufrichttg und anspruchslos sind. Nichts mehr von jener formaläusserlichen Fassadenarchitektur, von jenem Nachbilden städtischer Motive auf dem Lande, das unsere Ortschaften in den letzten Jahrzehnten so verunstaltet hat!

Die im Gegenentwurf einfache und klare Strassenführung, die die Geländeform und die natürlichen Umgrenzungslinien des Neubaugebiets betont, läßt einen zielbewußten Willen zu einfacher Schönheit und klaren Formwillen erkennen. Da bei jedem Einzelhaus genügend private Freiflächen sind und öffentl. Freiflächen unter organischer Anlehnung an das Ortsbild sich harmonisch in die Landschaft einfügen, so ist zu erwarten, daß die Baumassen die Landschaft nicht zurückdrängen. Diese Wirkung wird durch die Freihaltung der Wiesengründe des Eulenbaches, die heute nebst dem Kranz der stattlichen Wälder den Hauptreiz des Landschaftsbildes ausmachen.

Auch die Beibehaltung des alten staatlichen ummauerten Begräbnisplatzes im alten Ortsteil erhöht die Harmonie zwischen Landschaft und Siedlung. Die monumentale Dominante des neuen Sanatoriums gibt im Zusammenhang mit der klaren Hangbebauung der nördlichen Talseite mit ihren Waagrechten Sockel- Trauf- und Firstlinien diesem Ortsteil eine besondere Note, sie übernimmt die Führung in dem heute unsicheren Gleichklang der Baumassen, der durch den Wettbewerb zwischen den alten Sanatorien im Talgrund heute noch gestört wird. Das neue Ortsbild bedarf einer beherrschenden Führerin; der den Hang hinaufkletternde Grünstreifen weist das Auge auf die künftige Krone von Neu-Schömberg hin, die mit dem hohen Waldhintergrund sich beherrschend über die Landschaft breitet.

Auch das alte Ortsgebiet ist mit Baulinien und Baugrenzen versehen worden, um reizende Straßen- und Platzbildungen zu erhalten und durch Neubauten nicht zerstören zu lassen. Die Baulinien wurden deshalb dicht an die Baulinien herangerückt und folgen deren unregelmäßiger Stellung, Staffelung und Versetzung in verständnisvoller Weise, wobei da und dort Verbesserungen in der Linienführung vorgenommen wurden.

Der Aufgabe, die Baumassen so in die Landschaft einzufügen, daß ein harmonisches Ganzes zustande kommt, wird jedoch der Ortsbauplan nur unvollständig genügen, wenn nicht auch die Art der Bebauung, die Gliederung des Ortsbildes durch besondere Anbauvorschriften geregelt wird; sie bilden mit dem Ortsbauplan die Bebauungsgundlagen. Im vorliegenden Stadium kann es sich nicht um den Entwurf solcher Anbauvorschriften handeln. Der Gemeinderat sollte erst Stellung zum Entwurf "S" und zum "Gegenentwurf" nehmen; dann erst wird es Zeit sein Anbauvorschriften festzustellen. Sie haben u.a. Bestimmungen zu enthalten über die Bauweise (offene, Gruppenbau), wie die Freiflächen (Vorgärten, Höfe, Gärten) zu behandeln sind, wie die einzelnen Grundstücke nach Fläche und Höhe auszunutzen sind (Abstand der Gebäude, Stockwerkszahl), wie das Äußere der Gebäude und der Einfriedungen der Grundstücke beschaffen sein muß und dergl. mehr. Weiteres wird es Sache der Ortbausatzung sein, zu verhindern, daß durch das planlose Durcheinanderwerfen von Einzel- und Doppelhäusern ungünstige Straßenbilder entstehen. Da der schönheitliche und gesundheitliche Wert eines von Bebauung freien Blockinnern immer mehr auch von dem Laien erkannt wird, so ist in den reinen Wohnvierteln die Bebauung noch die Tiefe durch Ziehen von Baugrenzen beschränkt. Die sich dadurch bildenden Baustreifen von 15 m Tiefe können jedoch entsprechend dem jeweils vorhandenen Bedürfnis nach Durchführung des vorgeschriebenen Verfahrens geändert werden

Schluß.

Die vorstehend skizzierten technischen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen und künstlerischen Grundlagen des Ortserweiterungsgebietes von Schömberg bedürfen nunmehr der durch genaue Kenntnis der örtlichen Verhältnisse gestützten eingehenderen Bearbeitung durch einen ortskundigen Techniker. Hierzu sind vor allem genaue Lage- und Höhenpläne l:1000 mit l oder 2 m- Schichtenlinien nötig. Zu ihrer Anfertigung durch einen Geometer die Anregung zu geben, betrachte ich als eine der wichtigsten Vorarbeiten neuzeitlichen Städtebaus. Nur wenn genaue Planunterlagen beschafft werden, wird es möglich sein alle die Fragen, von denen die Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Schönheit eines Ortsbauplanes abhängt, so zu untersuchen, daß die Gemeindeverwaltung vor bitteren Enttäuschungen, die Steuerzahler vor unnötigen Geldausgaben und das Orts- und Landschaftsbild vor Verunstaltungen bewahrt bleiben. Dabei empfiehlt es sich den Bleistiftentwurf des endgültigen Ortsbauplans vor seiner Behandlung durch den Geometer mit Tusche und Farbe samt den Strassenlängen- und Querschnitten der Beratungsstelle zur Durchsicht einzusenden damit mißverständliche Auslegungen der vorstehenden Anregungen vermieden werden.

Zu weiterer Beratung, insbesondere auch hinsichtlich der Anbauvorschriften, sowie zur mündlichen Erläuterung des vorliegenden Gegenentwurfs vor dem Gemeinderat ist die Beratungsstelle auf Ansuchen bereit.

Stuttgart, den 7. August 1920

Ministerium des Innern, Beratungsstelle für Ortsbaupläne:

i. V. Bauamtmann Dr. Ing. Marquardt